Jira Projektmanagement-Software Test
von Gabriella Martin
Jira: Beliebte Aufgabenmanagement-Software für Software-Entwickler
Jira ist eine einfach zu bedienende Software für allgemeines Aufgabenmanagement in Teams. Mit Jira lassen sich Aufgaben strukturieren, zuweisen und nachverfolgen. Jira bietet Grundfunktionalität für Projektmanagement, ist aber vom Funktionsumfang her nicht den echten Projektmanagement-Tools zuzurechnen.
1. Allgemeine Funktionalität
Betrieb
Jira kann auf einem eigenen Server betrieben (On Premises) oder als Software as a Service (SaaS) in der vom Hersteller angebotenen Cloud genutzt werden. Der Hersteller garantiert die Einhaltung der europäischen Datenschutzstandards. Die Daten befinden sich für europäische Kunden ausschließlich in der EU.
Projekte und Projekttypen
In Jira verwaltet man Vorgänge in Projekten bzw. Arbeitsbereichen. Bereiche haben keinen Typ, so dass sich Einstellungen nicht zentral für alle Bereiche eines Typs vornehmen lassen.
In Jira lassen sich Vorlagen für Projekte bzw. Bereiche anlegen.
Vorgänge und Vorgangstypen
Im Aufgaben- und Projektmanagement dreht sich fast alles um „Vorgänge“. In Jira haben die Vorgänge einen Vorgangstyp, der das Verhalten entsprechender Vorgänge beeinflussen kann. Es gibt z.B. „Aufgaben“, „Aktionspunkte“ und „Problemberichte“.
Es können auch eigene Vorgangstypen erstellt werden.
Vorgangstypen können eigene Workflows haben und unterschiedliche Attribute. Z.B. hat ein Aktionspunkt optional einen Termin, bei einer Aufgabe müssen hingegen ein Anfangs- und Enddatum zwingend angegeben werden.
Vorgangshierarchien
Jira bietet keine Möglichkeit, Vorgangshierarchien abzubilden.
Der Typ untergeordneter Vorgänge lässt sich abhängig vom Typ des übergeordneten Vorgangs einschränken. Damit kann z.B. verhindert werden, dass ein Vorgang vom Typ „Auto“ einem Vorgang von Typ „Motor“ untergeordnet werden kann.
Benachrichtigungen
Jira besitzt ein einfaches, konfigurierbares Benachrichtigungssystem.
Die E-Mail-Benachrichtigungen beruhen auf Vorlagen, die angepasst werden können. Es gibt eine @-Funktion und eine Erinnerungsfunktion.
Das Benachrichtigungssystem ist z.B. in der Lage, E-Mails nur an den Manager des betroffenen Vorgangs zu schicken, wenn der Vorgang erledigt war und nun wiedereröffnet wurde.
Zugangsberechtigungen
Es lassen sich eigene Rollen mit entsprechenden Berechtigungen defnieren.
Attribute
In Jira kann man ohne Programmierung über die Weboberfläche kundenspezifische Attribute konfigurieren.
Es steht eine umfangreiche Auswahl an Attributtypen zur Verfügung, wie z.B. Label, Personenauswahl oder Datumsfelder. Zusätzlich lässt sich das Verhalten der Standardattribute sinnvoll anpassen, z.B. der voreingestellte Wert für ein Anfangs- oder Enddatum.
So kann man z.B. ein Auswahllistenfeld erstellen, das alle Benutzer, die zu einer bestimmten Gruppe gehören, anbietet.
Für verschiedene Projekte lassen sich für die Attribute unterschiedliche Voreinstellungen konfigurieren.
Eingabemasken
In Jira können beliebig viele Eingabemasken definiert werden.
Die Eingabemasken können mit Reitern und Panels strukturiert werden.
Für das Neuanlegen eines Vorgangs kann man eine andere Eingabemaske zuweisen als für das nachträgliche Bearbeiten.
Für den gleichen Vorgangstyp kann man in unterschiedlichen Bereichen bzw. Projekten unterschiedliche Eingabemasken festlegen.
Abhängigkeiten
Im Projektmanagement und auch im Aufgabenmanagement stehen Vorgänge oft miteinander in Beziehung. So kann z.B. eine Aufgabe nicht begonnen werden, bevor eine andere erledigt ist. Oder ein Vorgang kann nicht geschlossen werden, bevor nicht ein abhängiger Vorgang erledigt wurde.
In Jira gibt es eine einfache Unterstützung für die Definition von Abhängigkeiten oder Verknüpfungen.
Über Plug-Ins können eigene Verknüpungstypen eingebracht werden.
Cockpits
Das System bietet seinen Benutzern eine Übersichtsseite (Cockpit, Dashboard) an.
Jeder Benutzer hat die Möglichkeit, vorkonfigurierte Cockpits zu nutzen oder sich ein eigenes Cockpit aus einer umfangreichen Liste von Cockpit-Kacheln zusammenzustellen. Es gibt aber keine Cockpit-Vorlagen und Cockpits können auch nicht zentral Benutzern von Systemadministratoren zugewiesen werden. Es stehen u.a. folgende Cockpit-Elemente zur Verfügung:
- Meine Vorgänge
- Anzahl Vorgänge in Zustand X über der Zeit
- Aktivitätenstrom
- Vordefinierte Filter
Berichtsfunktion
Berichte lassen sich in Jira basierend auf Berichtsvorlagen oder durch direkten Export nach Excel oder PDF realisieren. Die Berichtsvorlagen lassen sich relativ einfach an eigene Bedürfnisse anpassen und unterstützen Ausgaben in PDF, Excel, Word und HTML.
Benutzerverwaltung
Zur Verwaltung der Benutzer kann Jira mit einem LDAP-System verbunden werden. Benutzer und Gruppen können mit einem LDAP-Server manuell oder automatisch synchronisiert werden.
Es können auch mehrere Verzeichnisserver verbunden werden.
Jira lässt sich für echtes Single-Sign-On mit CAS integrieren.
Das System unterstützt Zweifaktor-Authentisierung.
Bedienoberfläche und Bedienbarkeit
Die Software bietet eine schöne, aufgeräumte und modern wirkende Bedienoberfläche. Der normale Anwender kommt auch ohne Schulung relativ schnell zurecht. Durch eine kontextbezogene Hilfe wird man unterstützt, wenn mal etwas nicht offensichtlich ist.
Für die Konfiguration muss man sich mit den Grundkonzepten von Jira vertraut machen. Dafür gibt es Material in Form von Tutorials, Videos, Foliensätzen und Benutzerhandbüchern. Es werden auch Schulungen angeboten.
Die Bedienoberfläche kann an die Anforderungen der Benutzer angepasst werden. Für jeden Benutzer oder Benutzergruppen können die zur Verfügung stehenden Menüpunkte individuell konfiguriert werden.
Schnittstellen und Erweiterbarkeit
Über eine umfangreiche REST-Schnittstelle sind in Jira nahezu alle Funktionen zugänglich, die auch an der Bedienoberfläche angeboten werden. So können z.B. Benutzer verwaltet werden, Projekte angelegt, geändert und gelöscht werden oder Abfragen ausgeführt werden.
2. Aufgabenmanagement
Delegieren
Die Software unterstützt die Delegation von Vorgängen nicht. Es ist nicht möglich, nach Weitergabe eines Vorgangs an jemand anderen diesen Vorgang so zu markieren, dass er als delegiert erkennbar ist.
Stellvertreter-Funktion
In Jira ist es nicht möglich, Nutzern Stellvertreter zuzuordnen.
Wiederkehrende Aufgaben
Manche Aufgaben und Termine wiederholen sich zyklisch, z.B. jeden ersten Montag im Monat. Die Behandlung solcher Vorgangsserien kann im Aufgabenmanagement sehr hilfreich und zeitsparend sein.
Jira erlaubt die Erstellung zyklischer Vorgänge genauso, wie man es von guten Kalenderanwendungen gewöhnt ist.
Zeiterfassung
Jira erlaubt es, für jeden Vorgang die Aufwände (Zeit und Geld) nachzuhalten und sie Konten zuzuordnen. Konten können in Kostenstellen gruppiert und für Projekte freigegeben werden.
Es gibt die Möglichkeit, in der Anwendung Timer zu verwenden, um die aufgewendete Zeit automatisch zu verbuchen. Berichte geben eine Übersicht, wer in einem beliebigen zurückliegenden Zeitraum mit welchen Tätigkeiten beschäftigt war.
Unterstützung der Getting Things Done-Methode
Die Getting Things Done-Methode ist ein bewährtes Verfahren zur persönlichen Arbeitsorganisation. Es erlaubt die persönliche Kategorisierung von Vorgängen wie z.B. persönliche Wiedervorlagetermine oder die persönliche Markierung von Vorgängen als Favoriten.
Jira unterstützt die GTD-Methode vollständig.
Unterstützung der RACI Matrix
Für das Aufgabenmanagement und Projektmanagement definiert die RACI-Methode vier vorgangsspezifische Rollen, über die Projektbeteiligte mit einer Aufgabe in Beziehung stehen können. Normalerweise werden Rollen für ein Projekt vergeben, nicht aber für einen Vorgang. So gibt es z.B. einen Projektmanager oder einen Scrum Master für das ganze Projekt. RACI erlaubt es dagegen, Rollen vorgangsspezifisch zu vergeben (siehe https://en/task-management/raci-matrix.html).
Jira bietet leider keine Möglichkeit, eine RACI-Matrix zu modellieren.
Workflows
Workflows werden in Aufgabenmanagement-Systemen üblicherweise in zwei Formen abgebildet. Die erste Methode bezieht sich immer auf den Workflow eines Vorgangs, der verschiedene Stationen durchläuft. Die zweite Methode besteht darin, Aufgabenmengen zu definieren und diese dann abzuarbeiten.
Jira unterstützt beide Methoden. Es gibt einen grafischen Workflow-Editor für vorgangsbezogene Workflows. Mit Hilfe von Bereichsvorlagen und Sammelvorgängen lassen sich selbst sehr komplexe, umfangreiche Workflows in Form von Aufgabenpaketen einfach erstellen.
3. Projektmanagement
Programme und Portfolios
In vielen Organisationen laufen Projekte im Rahmen von Programmen, Portfolios oder Produktbereichen. Hier müssen Gruppen von Projekten zusammengefasst werden können, um die Übersicht zu behalten.
Eine Grundvoraussetzung für ein Programm- oder Portfoliomanagement ist die Möglichkeit, Projekte gruppieren und hierarchisch anordnen zu können.
Jira erlaubt es, Bereiche beliebig tief hierarchisch anzuordnen und unterstützt so ein einfaches, pragmatisches Programm- und Portfoliomanagement.
Teilprojekte
Größere Projektvorhaben mit vielen Vorgängen können nicht allein durch die Hierarchisierung von Vorgängen ausreichend strukturiert werden, sondern müssen in Teilprojekte aufgespalten werden. Die Teilprojekte können unterschiedliche Prozesse erfordern, z.B. für die Hardware- und Software-Entwicklung.
Multi-Projekt-Berichte
Alle Abfragen und Berichte können sich über mehrere Projekte und Teilprojekte erstrecken, die durch entsprechende Filter frei definiert werden können.
Work Breakdown Structure
Bevor ein Projektplan erstellt werden kann, müssen die zu leistenden Aktivitäten bzw. die zu erstellenden Arbeitsergebnisse strukturiert werden. Um eine solche Produktstruktur oder Work Breakdown Structure (WBS) darstellen zu können, müssen Vorgänge hierarchisch in beliebiger Tiefe angeordnet werden können.
Jira unterstützt lediglich eine Hierarchieebene mit Sub-Tasks. Damit lassen sich keine WBS oder Projektpläne erstellen.
Interaktives Gantt-Diagramm
Mit Gantt-Diagrammen lassen sich der zeitliche Ablauf von Projektaktivitäten sowie Vorgänger-Nachfolgerbeziehungen festlegen und darstellen. Jira bietet in dieser Hinsicht keine Unterstützung.
Ressourcen-Planung
Es lassen sich Ressourcen unterschiedlicher Art verwalten und Vorgängen zuordnen. Es gibt eine Ansicht, in der die Ressourcenauslastung über der Zeit dargestellt wird und eine Überbelastung oder Unterbelastung sofort sichtbar werden. Die Ressourcen lassen sich nach Projekt oder Abteilungszugehörigkeit ordnen.
Verfügbarkeit der Mitarbeiter
Es gibt für jeden Mitarbeiter einen persönlichen Kalender, aus dem die Verfügbarkeit hervorgeht. Die Verfügbarkeit wird bei der Ressourcenplanung vom System berücksichtigt.
Projektfortschritt
Es gibt in Jira die Möglichkeit, Projektfortschritt über die Menge der schon erledigten Aufgaben im Verhältnis zur Gesamtaufgabenmenge zu messen. Es ist darüber hinaus für noch offene Aufgaben möglich, den geschätzten Restaufwand bis zur Fertigstellung anzugeben.
Damit ist in Jira eine rudimentäre, unaufwändige Art der Fortschrittsbeobachtung vorhanden, die jedoch für ein etwas anspruchsvolleres Projektmanagement nicht ausreichend ist.
Agiles Projektmanagement
Die Software unterstützt komplett ein agiles Projektmanagement nach Scrum und Kanban. Es gibt nicht nur die entsprechenden Ansichten wie ein Taskboard oder Burn Charts, sondern im Kern des Systems sind alle für ein agiles Arbeiten notwendigen Elemente wie Epics, User Stories, Backlogs und Sprints implementiert.
Backlog-Priorität, Sprint-Kapazität und Team Velocity werden durch entsprechende Anwendungslogik unterstützt. Aus einem vorhergehenden Sprint übrig gebliebene Tasks können automatisch in den nächsten Sprint übernommen werden. Sprints können automatisch im Voraus erstellt werden.
Für Software-Entwickler gibt es Integrationen mit Quellcode-Verwaltungssystemen wie Git und Subversion sowie mit CI/CD-Servern wie Gitlab und Jenkins.
Alternative Lösungen
Vom Funktionsumfang her gesehen ist Allegra wohl die beste Jira-Alternative. Jira fokussiert sich auf Software-Etwicklungsprojekte. Für allgemeines Projektmanagement ist sicherlich noch Wrike ein ernsthafter Herausforderer. Lesen Sie hier einen Wrike-Test.
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