Pflichtenheft: Tipps und Vorlage!

von Gabriella Martin

Pflichtenheft Einigung

Das Pflichtenheft (Gesamtsystementwurf) ist ein zentrales Dokument im klassischen Projektmanagement und das Gegenstück zum Lastenheft (Anforderungen) auf Auftragnehmerseite. Ein Pflichtenheft erstellen ist in der Regel Aufgabe des Auftragnehmers in Zusammenarbeit mit dem Auftraggebe und findet in der Projektmanagment-Phase "Planung" statt. Das Pflichtenheft ist das zentrale Ausgangsdokument für die Systemerstellung. Zum schnellen Einstieg gibt es eine Pflichtenheft-Vorlage.

Pflichtenheft-Struktur

Eine bewährte, konkrete Struktur für ein Pflichtenheft sieht in Anlehnung an das V-Modell XT so aus:

  1. Einleitung
  2. Ausgangssituation und Zielsetzung
  3. Dekomposition des Gesamtsystems
  4. Schnittstellenübersicht
  5. Lebenszyklusanalyse
  6. Funktionale Anforderungen
  7. Nicht-funktionale Anforderungen
  8. Anforderungsverfolgung zum Lastenheft
  9. Anforderungsverfolgung zu den Spezifikationen
  10. Abnahmekriterien und Vorgehen zur Ausgangsprüfung
  11. Lieferumfang

1. Einleitung

Wesentliche Inhalte des Pflichtenheftes sind die funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen an das zu entwickelnde Gesamtsystem. Die Anforderungen werden aus dem Lastenheft übernommen und geeignet aufbereitet. Eine erste Grobarchitektur des Systems wird entwickelt und in einer Schnittstellenübersicht beschrieben. Das zu entwickelnde System sowie weitere ggf. zu entwickelnde Systeme werden identifiziert und den Anforderungen zugeordnet. Zusätzliche Anforderungen an die Logistik werden in Zusammenarbeit mit dem Logistikverantwortlichen erarbeitet. Abnahmekriterien und Lieferumfang für das fertige Gesamtsystem werden aus dem Lastenheft (Anforderungen) übernommen und konkretisiert. Um sicher zu stellen, dass alle Anforderungen berücksichtigt sind, wird eine Anforderungsverfolgung, sowohl hin zum Lastenheft als auch zu den Systemen, durchgeführt.

Zur Erstellung des Gesamtsystementwurfs sind Kenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen wie Systementwicklung, Sicherheit, Ergonomie und Logistik notwendig, die üblicherweise nicht von einer Person abgedeckt werden können. Da Anforderungen den Kern der Spezifikation darstellen, fällt dem Anforderungsanalytiker (AN) die verantwortliche Rolle für die Erstellung des Gesamtsystementwurfs zu. Für die inhaltliche Ausarbeitung benötigt er jedoch intensive Unterstützung durch Experten der verschiedenen Disziplinen.

Zu jedem im Gesamtsystementwurf identifizierten System und Segment werden die entsprechenden Produkte wie Spezifikation und Architektur erstellt. Anforderungen an die Logistik werden in der Spezifikation logistische Unterstützung weiter verfolgt.

2. Ausgangssituation und Zielsetzung

In diesem Abschnitt werden die Ausgangssituation und der Anlass zur Durchführung des Projektes anschaulich dargestellt. Es wird beschrieben, welche Defizite bzw. Probleme existierender Systeme oder auch der aktuellen Situation zur Entscheidung geführt haben, das Projekt durchzuführen, und welche Vorteile durch den Einsatz des neuen Systems erwartet werden.

Es werden zusätzlich alle relevanten Stakeholder des Projektes benannt und die technische und fachliche Einbettung des zu entwickelnden Systems in seine Umgebung skizziert. Zusätzlich werden erste Rahmenbedingungen für die Entwicklung identifiziert und beschrieben. Rahmenbedingungen können beispielsweise technische Vorgaben oder Vorgaben zur Sicherheit sein.

3. Dekomposition des Gesamtsystems

In der Dekomposition des Gesamtsystems wird das zentrale System mit allen ggf. zusätzlich benötigten Systemen identifiziert und festgelegt, welche Logistikelemente erstellt werden. Zudem werden die zu erstellenden Architekturdokumente und Implementierungs-, Integrations- und Prüfkonzepte benannt. Grundlage sind die funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen sowie die Skizze der Gesamtsystemarchitektur aus dem Lastenheft. Beistellungen des Auftraggebers werden berücksichtigt.

Die Gesamtsystemarchitektur wird hinsichtlich der möglichen Verwendung von Fertigprodukten geprüft. Gegebenenfalls wird deshalb bereits auf Basis des Pflichtenhefts eine Marktsichtung für Fertigprodukte durchgeführt, um den Einfluss möglicher Kandidaten auf die Anforderungen und die Systemarchitektur abschätzen zu können.

4. Schnittstellenübersicht

Zur Darstellung der Zusammenhänge zwischen dem System und seiner Umgebung wird eine Schnittstellenübersicht erstellt. Ausgehend vom System werden Schnittstellen zum Anwender, zu anderen im Projekt zu entwickelnden Systemen, zur Logistik und zu Nachbarsystemen identifiziert und in geeigneter Form dokumentiert.

Die konkrete Beschreibung der Schnittstellen erfolgt in den Spezifikationen der Systemelemente sowie in der “Spezifikation logistische Unterstützung”.

5. Lebenszyklusanalyse

Ausgehend von den Anforderungen werden die zu unterstützenden Phasen im Lebenszyklus (Entwicklung, Wartung und Stilllegung) bestimmt. Es wird festgelegt, für welche der im Abschnitt “Dekomposition des Gesamtsystems” identifizierten Systeme ein “Logistisches Unterstützungskonzept” zu erstellen ist.

6. Funktionale Anforderungen

Funktionale Anforderungen beschreiben die Fähigkeiten eines Systems, die ein Anwender erwartet, um mit Hilfe des Systems ein fachliches Problem zu lösen. Die Anforderungen werden aus den zu unterstützenden Geschäftsprozessen und den Ablaufbeschreibungen zur Nutzung des Systems abgeleitet.

Die Beschreibung der funktionalen Anforderungen erfolgt beispielsweise in Form von Anwendungsfällen (Use Cases). Ein Anwendungsfall beschreibt dabei einen konkreten, fachlich in sich geschlossenen Teilvorgang. Die Gesamtheit der Anwendungsfälle definiert das Systemverhalten. Ein Anwendungsfall kann in einfachem Textformat beschrieben werden, häufig stehen jedoch organisationsspezifische Muster zur Beschreibung zur Verfügung. Für datenzentrierte Systeme ist im Rahmen der funktionalen Anforderungen ein erstes fachliches Datenmodell zu bearbeiten, das als Grundlage des späteren Datenbankentwurfs dient. Das fachliche Datenmodell des Systems wird aus den Entitäten des Domänenmodells abgeleitet.

Die funktionalen Anforderungen sind die zentralen Vorgaben für die Systementwicklung. Sie werden in das Pflichtenheft (Gesamtsystementwurf) übernommen und bei Bedarf konkretisiert.

7. Nicht-funktionale Anforderungen

In diesem Thema werden die im Lastenheft beschriebenen nicht-funktionalen Anforderungen aufgeführt, ggf. konkretisiert und deren Umsetzung erläutert.

Sofern das Lastenheft Vorgaben zur Informationssicherheit, zum Datenschutz oder zum IT-Betrieb enthält, ist basierend auf diesen Vorgaben, den übrigen Anforderungen, der “Dekomposition des Gesamtsystems” und der “Schnittstellenübersicht” festzulegen,

  • ob bereits auf der Ebene des Gesamtsystems eine Sicherheitskonzeption zu entwickeln ist, um Bedrohungen und Maßnahmen dokumentieren zu können.
  • ob diese Vorgaben geändert oder erweitert werden müssen. Beabsichtigte Änderungen und Erweiterungen müssen mit dem Auftraggeber abgestimmt werden und führen ggf. zu einer Vertragsanpassung.

8. Anforderungsverfolgung zum Lastenheft

Im Rahmen der Anforderungsverfolgung zum Lastenheft wird zusammenfassend die Zuordnung der funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen aus dem Lastenheft zu den Anforderungen im Pflichtenheft dargestellt. Besonders bei Software in sicherheitskritischen Systemen muss die bidirektionale Verfolgbarkeit sichergestellt werden. In der Praxis benötigt man dazu Unterstützung durch eine Projektmanagement-Software wie Allegra, die die Erstellung von Dokumenten und Verknüpfung von Themen erlaubt. In einfachen Fällen kann die Darstellung anhand einer Matrix erfolgen.

9. Anforderungsverfolgung zu den Spezifikationen

Im Rahmen der Anforderungsverfolgung wird im Pflichtenheft zusammenfassend die Zuordnung der funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen zu den Elementen der Gesamtsystemarchitektur (System, Segment oder Logistik) dargestellt. Besonders bei Software in sicherheitskritischen Systemen muss die bidirektionale Verfolgbarkeit sichergestellt werden. Die Darstellung kann beispielsweise anhand einer Matrix erfolgen.

10. Abnahmekriterien und Vorgehen zur Ausgangsprüfung

Abnahmekriterien definieren die Bedingungen, die eine den Anforderungen entsprechende Lieferung erfüllen muss. Sie sollten messbar und strukturiert sein. Abnahmekriterien können sich sowohl auf einzelne Anforderungen (“Unter welchen Bedingungen gilt die Anforderung als erfüllt?”) als auch auf den Lieferumfang (“Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine konkrete Lieferung abgenommen wird?”) beziehen. Die Definition der Abnahmekriterien ist in der Regel Aufgabe des Auftraggebers; der Auftragnehmer sollte sie aber kennen und in seinem Pflichtenheft auch benennen, um Klarheit darüber zu besitzen, unter welchen Bedingungen das System abgenommen wird. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, wenn der Auftragnehmer oder Auftragnehmer und Auftraggeber die Abnahmekriterien gemeinsam definieren.

Der Auftragnehmer sollte vor der Auslieferung möglichst sicher sein, dass die Lieferung auch abgenommen wird und deswegen eine geeignete Ausgangsprüfung durchführen. Die zu liefernden Systemelemente werden anhand einer »Prüfspezifikation Systemelement, die zu liefernden Dokumente (insbesondere die “Logistische Unterstützungsdokumentation”) anhand einer “Prüfspezifikation” geprüft. Die dazu notwendigen Prüffälle werden aus den Abnahmekriterien abgeleitet, können aber in der Regel nicht vollständig identisch mit den Prüffällen des Auftraggebers sein, da der Auftragnehmer z.B. keinen Zugang zur Zielplattform hat oder die tatsächlichen Anwender nicht einbinden kann.

11. Lieferumfang

Es sind alle Gegenstände (dazu gehören auch Software und Dokumente) und Dienstleistungen aufzulisten, die im Projektverlauf oder zum Abschluss des Projektes zu liefern sind. Jede Lieferung erfordert eine Abnahmeprüfung. Der Lieferumfang kann je nach Vereinbarung ein System, Teile eines Systems, Dokumente und Dienstleistungen enthalten.

Glossar

Technische Dokumente beinhalten oft Begriffe, die nicht für alle Nutzer dieser Dokumente gleich verständlich sind. Es ist deshalb nützlich, ein Glossar anzulegen, in dem diese Begriffe geklärt werden. Verwendet man ein einfaches ALM-System wie Allegra, kann ein Glossar zentral erstellt und gepflegt werden.

Pflichtenheft-Beispiel

Ein Pflichtenheft erstellen geht schneller mit einer Pflichtenheft-Dokumentvorlage. Die Vorlagen gibt es im Microsoft Word-Format sowie für die Allegra Projektmanagement-Software.

Lesen Sie hier weiter über Multitasking im Projektmanagement.

Gabriella Martin

Editor and Writer
Gabriella Martin ist Absolventin der Yale-Universität und hat einen Master in Deutscher Literatur von der Universität Tübingen. Sie liebt es, komplexe Dinge einfach zu erklären.

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