Das Scaled Agile Framework (SAFe): Eine Übersicht

von Gabriella Martin

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Agiles Projektmanagement nach Scrum hat sich bereits in vielen Unternehmen als Standard durchgesetzt, wenn es darum geht, in kleinen, autonomen Teams schnell zum Ziel zu gelangen. Allerdings stößt diese Herangehensweise dort an ihre Grenzen, wo mehrere Teams gemeinsam an sehr großen Projekten arbeiten müssen. Und auch wenn man sich für die Priorisierung mehrerer Projekte einen Überbau in Form eines Portfolios wünscht, selektieren und Abhängigkeiten managen will, gibt Scrum nicht die notwendigen Richtlinien her. In diesen Fällen herrschen aus Mangel an Alternativen häufig noch klassische Projektmanagement-Methoden vor. Doch Scaled Agile Framework – kurz SAFe – schließt diese Lücke und bietet ein Rahmenwerk zur Skalierung von Scrum. So gelingt es auch großen Unternehmen, mehr Effizienz und eine kürzere Time to Market zu erreichen.

Neun Schlüsselprinzipien zum Erfolg

SAFe basiert auf den bereits erprobten Agile- und Lean-Management-Methoden. Neun Schlüsselprinzipien legen die Leitlinien fest:

Prinzip Nr. 1

Um eine optimale Lead-Zeit zu erreichen, nehmen die Teams eine ökonomische Perspektive ein. Beste Qualität und die Erreichung des größten Mehrwerts stehen dabei im Fokus.

Prinzip Nr. 2

Alle Facetten der Softwareentwicklung werden bei der Implementierung von Systemen miteinbezogen.

Prinzip Nr. 3

Innovative Ideen werden gefördert und flexible Wahlmöglichkeiten erhalten.

Prinzip Nr. 4

Die Entwicklung geschieht schrittweise auf Basis schneller, integrierter Lernzyklen. So werden die Risiken reduziert und Kundenfeedback kann rasch umgesetzt werden.

Prinzip Nr. 5

Meilensteine sowie evaluierte, funktionierende Systeme stellen einen wirtschaftlichen Vorteil sicher.

Prinzip Nr. 6

Bestmögliche Reduzierung des „Work in Progress“ sowie der Batch-Größen. Ein aktives Warteschlangenmanagement garantiert einen fortlaufenden Workflow.

Prinzip Nr. 7

Um neue Business-Chancen zu erkennen und möglicherweise notwendige Korrekturen umsetzen zu können, erfolgt eine bereichsübergreifende Synchronisation.

Prinzip Nr. 8

Um das volle Potenzial von Wissensarbeitern zu erschließen, werden diese mit intrinsischer Motivation ausgestattet.

Prinzip Nr. 9

Um mehr Effektivität und Agilität zu erreichen, erfolgt im Scaled Agile Framework eine dezentrale Entscheidungsfindung.

Mit fünf Kernkompetenzen agiler werden

SAFe soll Unternehmen laut des Rahmenwerkes dabei unterstützen, „erfolgreich durch die digitale Disruption zu navigieren und eine effektive Antwort auf volatile Marktbedingungen, sich wandelnde Kundenbedürfnisse und aufstrebende Technologien parat zu haben“. Dazu fokussiert die Methode fünf Kernkompetenzen:

1. Kernkompetenz – Lean Agile Leadership

Lean Agile Leadership setzt darauf, dass die Führungsebene den Wandel im Unternehmen sowie einen effektiven Gesamtbetrieb unterstützen und vorantreiben. Dies ist besonders wichtig, weil in der Praxis nur Führungskräfte die notwendige Autorität besitzen, um Einzelpersonen und Teams so positiv zu beeinflussen, dass diese ihr Potenzial voll ausschöpfen.

2. Kernkompetenz – Technische Agilität

Um schnell gute Lösungen zu generieren, müssen in einem Team bestimmte Lean- und Agile-Methoden angewendet werden und einige wesentliche Fähigkeiten vorhanden sein. Da das Team ein Produkt für einen Kunden produziert, muss insbesondere die technische Agilität innerhalb des Teams sichergestellt sein.

3. Kernkompetenz – DevOps

Um den Kundenbedürfnissen nachhaltig gerecht zu werden, ist eine konsistente, fortlaufende Pipeline für Produkte bzw. Services entscheidend.

4. Kernkompetenz – Lean Systems Engineering

Die Innovationskraft eines Unternehmens steigt mit der Fokussierung agiler Methoden, insbesondere für die Förderung von Blueprints, Entwicklung und Deployment.

5. Kernkompetenz – Lean Portfolio Management

Die Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von SAFe ist eine adäquate Unternehmensstrategie, die die Bereiche Finanzen, Portfolio Management und Compliance sinnvoll aufeinander abstimmt.

Was unterscheidet SAFe von Scrum?

Während Scrum sich optimal für kleine bis mittelgroße Projekte innerhalb eines Teams eignet, skaliert das Scaled Agile Framework die agile Arbeitsweise durch die Implementierung eines zusätzlichen Zyklus auf einer höheren Abstraktionsebene, dem sogenannten Program Increment. Dieser Metazyklus dauert etwa zwei bis drei Monate und beschäftigt sich mit größeren Anforderungen – auch Features genannt.  Mit dieser Ebene wird SAFe der Komplexität großer Programme gerecht. Darüber hinaus werden auf der Teamebene im Product Increment kleinere Anforderungen – sogenannte Stories – bearbeitet, die je Zyklus etwa eine bis vier Wochen in Anspruch nehmen.

Der Metazyklus Program Increment beinhaltet konkret fünf Iterationen zu je Wochen, wobei sich die letzte Iteration (IP = Innovation and Planning) deutlich von den anderen vier unterscheidet. In den ersten vier Iterationen entwickeln die Teams eine Lösung, die sie dann in der fünften Iteration noch einmal genau betrachten und hinsichtlich möglicher Optimierungspotenziale bewerten. Gegenüber dem Management ist diese Herangehensweise meist schwer zu rechtfertigen, weil in der IP-Phase im Vergleich zu den vier anderen relativ wenig sichtbare Arbeit geleistet wird. Dennoch ist diese fünfte Iteration extrem wichtig, weil hier Zeit für Bug Fixes und architektonische Optimierungen geschaffen wird. So verhindert diese Methode Altlasten aus der Programmierung, die naturgemäß immer auftreten. Eine nachträgliche Bereinigung und Fehlerbehebung wäre wesentlich teurer und aufwändiger als das direkte „Aufräumen“ in der fünften Iteration des Program Increment.

In allen fünf Iterationen treffen sich sämtliche Entwickler für ein i.d.R. zweitägiges Meeting – von den Product Ownern über alle Scrum Master und sämtliche anderen Teammitglieder, die am Projekt arbeiten. Anhand eines sauber geplanten Ablaufs werden hier alle wichtigen Themen rund um das Projekt gemeinsam besprochen, bevor es in die nächste Phase geht.

Darüber hinaus beinhaltet der Metazyklus Program Increment einen Plan-Do-Check-Akt-Zyklus auf Feature-Ebene:

Plan – PI Planning:

Das PI Planning ist ein Sprint Planning auf Feature-Ebene im Metazyklus Program Increment.

Do – Program Backlog Refinements:

Im Laufe des Program Increments pflegt das Team ein gemeinsames Program Backlog, das Features enthält.

Check – System Demo:

Während der System Demo prüft das Team das gemeinsam erstellte Produkt. Dieser Check erfolgt in jedem Sprint und darüber hinaus am Ende eines Program Increments.

Act – Inspect & Adapt Workshop:

Im Inspect & Adapt Workshop rekapitulieren alle Teams gemeinsam die Arbeit aus dem letzten Program Increment und versuchen aus Herausforderungen zu lernen sowie Optimierungen für die Zukunft zu adaptieren.

Für jedes Bedürfnis das richtige Angebot

Je nach der Zielsetzung und den einzubeziehenden Ebenen im Unternehmen bietet SAFe unterschiedliche Ausbaustufen:

Essential:

Essential deckt die Team- und Programmebene ab und eignet sich insbesondere für Unternehmen, die schnell starten wollen.

Portfolio:

Die Portfolio-Stufe bindet neben der Team- und Programmebene auch die Portfolioebene ein. Betriebe, die ihre Programme mit der Unternehmensstrategie abgleichen wollen, sind damit ideal versorgt.

Large Solution:

Ab der Large-Solution-Stufe kommt zu Team-, Programm- und Portfolioebene eine Large-Solution-Ebene hinzu, die für Unternehmen mit einem großen Skalierungsbedarf wichtig ist.

Full:

Global Player mit großem Skalierungsbedarf für Projekte sowie Mitarbeiter setzen auf die Full-Stufe von SAFe, die sämtliche Ebenen abdeckt und somit das Rundum-Paket bietet.

Schritt für Schritt zum Scaled Agile Framework

Hat ein Unternehmen sich für die Arbeit nach SAFe entschieden, besteht das erste Projekt in der Implementierung der neuen Strukturen und Abläufe. Dies gelingt am besten Schritt für Schritt:

Anstoß zur Veränderung und Einführung von Change Agents:

Die Initialzündung zur Implementierung von SAFe kann unterschiedliche Gründe haben. Ob es darum geht, den bisherigen Umgang mit komplexen Projekten zu optimieren, die eigene Produktivität zu steigern oder erstmalig Großprojekte anzugehen. Unabhängig vom Ausgangspunkt muss zunächst das Management durch die Führungskräfte von der Notwendigkeit der Implementierung überzeugt werden. Je stärker sämtliche Projekt-Stakeholder von der Sinnhaftigkeit dieses Changes überzeugt sind, desto besser sind die Chancen für eine erfolgreiche Veränderung. Um die Akzeptanz von Anfang an hoch zu halten, kann die Führungsebene sogenannte Change Agents identifiziert und in die Pflicht nehmen. Diese können als Program Consultants die Stakeholder sowie Führungskräfte in Sachen Scaled Agile Framework anleiten und als Ansprechpartner für Fragen und Unklarheiten zur Verfügung stehen.

C-Level Engagement und das Lean Agile Center of Excellence

Führungskräfte haben in den meisten Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Vorbildfunktion. Entsprechend können sie ihren Mitarbeitern agile Methoden vorleben und sollten so früh wie möglich die ersten SAFe-Schulungen erhalten. Darüber hinaus ist die Implementierung eines „Center of Excellence“ sinnvoll, um Agile- und Lean-Methoden im gesamten Unternehmen zu etablieren und die Gesamtperformance auf diesem Gebiet zu optimieren.

Agile Release Trains (ARTs)

Agile Teams, die wertschöpfende Lösungen entwickeln, nennen sich im SAFe-Umfeld Agile Release Trains. Für ihren Erfolg sind die Personen besonders entscheidend, die die Systeme im Team entwickeln. Entsprechend wichtig ist es, dass jedes einzelne Teammitglied seine individuelle Rolle kennt, erfüllt und die für den Erfolg notwendigen Fähigkeiten mitbringt. ARTs können dann erfolgreich ausgeführt werden, wenn die einzelnen SAFe-Rollen optimal ausgefüllt werden.

Priorisierung, Roadmap und Parameter

Mit der Definition der Unternehmensziele kann eine Roadmap erstellt werden, die die SAFe-Implementierung strukturiert begleitet. Dazu gehört auch die klare Definition der ARTs, Deadlines, Teams, Schulungen und eines Readiness Assessments. Außerdem wird an dieser Stelle auch das gemeinsame Backlog-Programm vorbereitet.

Vom Portfolio zum unternehmensübergreifenden Erfolg

Sind alle vorbereitenden Maßnahmen getroffen, werden sie auf das Portfolio-Level übertragen. So gelingt die Festigung der Unternehmenskultur, die Steigerung der Performance und die bestmögliche Zielerreichung. Werden neue Business-Chancen rechtzeitig erkannt und umgesetzt, wirken Geschäftsprozesse nachhaltig. Auf diesem Fundament baut die Führungsebene eines Unternehmens ein gemeinsames Lean- und Agile-Mindset auf.

Die Vorteile von SAFe im Überblick

Mit SAFe werden agile Projekte für große Unternehmen mit komplexen Vorhaben praktisch umsetzbar. Entsprechend flexibler und effektiver werden große Mittelständler und Konzerne und haben die Chance, ihre Time to Market zu verkürzen sowie agil auf Marktgegebenheiten zu reagieren. Transparente Abläufe und eigenverantwortliches Arbeiten führen außerdem zu zufriedeneren, engagierteren Mitarbeitern, einer höheren Produktivität und einer verbesserten Unternehmenskultur. Dies nützt nicht nur den vorhandenen Teams sondern hilft auch dabei, wichtige Fachkräfte und Experten als neue Mitarbeiter zu gewinnen.

Das durchdachte und dokumentierte Scaled Agile Framework bietet den Unternehmen eine grundlegende Sicherheit bei der Umsetzung ihrer ersten agilen Großprojekte. Sämtliche Techniken, Meetings, Rollen und weitere Aspekte sind sauber dokumentiert und nachvollziehbar erfasst, sodass Verantwortliche das Modell leicht auf ihre eigene Organisation übertragen können.

Der Fokus von SAFe liegt auf Streamlining, Teamwork und Bereitstellung über eine Vielzahl verteilter, agiler Teams. Darüber hinaus gibt es weitere interessante Frameworks, die je nach Unternehmensziel ebenfalls infrage kommen können. Disciplined Agile Delivery (DAD) beispielsweise konzentriert sich mit sieben grundlegenden Prinzipien auf den End-to-End Lifecycle von Produkten. Large-Scale Scrum (LeSS) hingegen baut darauf auf, dass alle am Projekt beteiligten Teams nicht nur ihren eigenen Teilbereich betrachten, sondern das finale Produkt vor Augen haben. Welches Modell zu welchem Unternehmen passt ist eine individuelle Einschätzung, die von zahlreichen Faktoren abhängig ist. In jedem Fall sollte eine Projektmanagementsoftware eingesetzt werden, die das jeweilige Modell optimal unterstützt, um keinen zusätzlichen Aufwand zu generieren.

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